Oliver Krautscheid: Angemessenheit der Vorstandsvergütung

Frankfurt, 8. November 2014


Am 18. 6. 2009 hat der Bundestag das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) beschlossen. Das allgemeine Ziel des VorstAG, welches zumeist grundsätzlich befürwortet ist darauf angelegt als Lehre aus der Finanzmarktkrise eine nachhaltige und auf Langfristigkeit ausgerichtete Unternehmensentwicklung zu erreichen, wurde. Darüber hinaus soll die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat durch Änderung der Haftungs- und Zuständigkeitsregeln sowie Verbesserung der Kontrolle der Vergütung durch Aktionäre und Öffentlichkeit, gestärkt werden. Haupteinwand gegen das VorstAG war jedoch, dass die Bestimmung der Vorstandsvergütung als unternehmensinterne Entscheidung durch die beabsichtigten Änderungen in einem zu hohen Grad verrechtlicht werde.

§ 87 Absatz 1 AktG regelt die Vorgaben für die Angemessenheit der Vorstandsvergütung. Das VorstAG enthält vor allem Konkretisierungen dieser Norm. Die Neufassung von § 87 Absatz 2 AktG bringt eine grundsätzliche Pflicht zur Herabsetzung der Vorstandsvergütung bei Verschlechterung der Lage der Gesellschaft mit sich.

Das VorstAG steht insbesondere für die folgenden Änderungen:

  • Verlängerung der Ausübungsfrist für Aktienoptionen auf vier Jahre (§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG n. F.);
  • Einführung einer Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats für die Beschlussfassung über die Vorstandsvergütung (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG n. F.); Einführung einer ausdrücklichen Schadensersatzpflicht des Aufsichtsrats für die Festsetzung einer unangemessenen Vergütung (§ 116 Satz 3 AktG n. F.);
  • Regelung eines unverbindlichen Hauptversammlungsbeschlusses zur Billigung der Vorstandsvergütung (§ 120 Abs. 4 AktG n. F.);
  • Konkretisierung der Offenlegungspflichten im Bilanz- sowie Konzernanhang bezüglich Leistungen an Vorstandsmitglieder sowohl bei vorzeitiger als auch bei regulärer Beendigung der Vorstandstätigkeit (insb. §§ 285 Nr. 9 lit. a) Satz 6, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a) Satz 6, 7 HGB n. F.);
  • Einführung eines obligatorischen Selbstbehalts bei D&O-Versicherungen für Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG n. F.); und
  • Regelung einer Karenzzeit von zwei Jahren für ehemalige Vorstandsmitglieder beim Wechsel in den Aufsichtsrat einer börsennotierten Gesellschaft (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG n. F.).

Die ausdrückliche Vorgabe im § 87 Absatz 1 AktG, dass auch die Leistung des Vorstandsmitglieds über die Angemessenheit der Vergütung entscheiden soll,  ist keine wesentliche Neuerung. Für die Umsetzung des Angemessenheitskriteriums dürfte sich eine dreistufige Herangehensweise empfehlen: Zunächst ist im ersten Schritt die Ermittlung der Referenzvergütung vorzunehmen um im zweiten Schritt einen konkreten Vergütungsvergleich durchzuführen und im dritten Schritt eine Rechtfertigung unüblicher Vergütung und Bestätigung üblicher Vergütung vorzunehmen. Auch der Vergleich mit der Vergütungspraxis über die Landesgrenzen hinweg dürfte zulässig sein.

Die neue Fassung des § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG schreibt für börsennotierte Gesellschaften vor, dass die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Als Mittel dieses Ziels kommen nicht nur langfristige, sondern auch kurzfristige Verhaltensanreize, wie Transaktionsboni für Akquisitionen, Desinvestitionen oder sonstige Sondervorteile für singuläre Ergebnisse in Betracht. Und auch das Repricing von Vergütungsprogrammen ist mit dem Nachhaltigkeitsgebot vereinbar.

Ob der Aufsichtsrat bei einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft zur Herabsetzung der Vergütung auf die angemessene Höhe verpflichtet ist, hängt u. a. davon ab, ob er besondere Umstände gegen eine Herabsetzung geltend machen kann. Diese besonderen Umstände könnten mit den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds, der Vergütungsüblichkeit sowie dem Nachhaltigkeitsgebot begründet werden.

Das VorstAG hat als Reaktion auf die Vergütungspraxis der Finanzbranche, die zur Finanzkrise führte. Kritik wird daher vor allem am VorstAG geübt, da nun Unternehmen die Regelungen zu befolgen haben unabhängig davon, ob sie in der Real- oder Finanzwirtschaft tätig sind. Zu einer Differenzierung zwischen Vergütungsregelungen für die Finanz- und Realwirtschaft raten auch die jüngsten Empfehlungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Im Raum steht dazu auch die Frage, ob das VorstAG wirklich zu einer Verbesserung der Corporate Governance oder nicht vielmehr dem parteipolitischen Streben im Wahljahr 2009 geschuldet ist.

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