Frankfurt, 5. November 2014
Die Fälle „Lederspray“ (BGHSt 37, 106) und „Holzschutzmittel“ (BGHSt 41, 215) haben in den 90er Jahren den Kausalitätsbegriff neu geprägt und modifiziert. Darüber hinaus behandeln die genannten Fälle die strafrechtliche Haftung von Gremienentscheidungen.
Lederspray
Ausgangspunkt ist die gesundheitsschädliche Wirkung des Ledersprays ohne das die konkret toxische Substanz im Produkt selbst festgestellt werden konnte. Die bis dahin geltende strenge Beweisführung, d.h. wenn der Kausalitätsnachweis nicht eindeutig erbracht werden kann, in dubio pro reo zugunsten des Angeklagten entschieden wurde, wurde mit dieser Entscheidung ausgeweicht. Mittels eines sogenannten Alternativenausschlussverfahrens hat das Gericht festgestellt, dass andere Schadensursachen als das Spray nicht in Betracht kommen.
Holzschutzmittel Fall
Der Holzschutzmittelfall folgte zeitlich später wie der Ledersprayfall. Wesentliche Unterschiede sind, dass die Wirkung des Holzschutzmittels erst viele Jahre später aufgetreten sind und darüber hinaus dass inhomogene Krankheitsbild. Durch die Verwendung des Holzschutzmittels konnten nahezu alle bei einem Menschen auftretende pathologische Zustände hervortreten. Die in dem Holzschutzmittel enthaltende gesundheitsschädliche Substanz war bekannt. Jedoch war auch in dieser Entscheidung von höchster Schwierigkeit, den Kausalitätsnachweis zwischen Ursache (Holzschutzmittel) und Wirkung (Gesundheitsschäden) zu erbringen, was wie oben bereits erwähnt an der erheblichen zeitlichen Zäsur und dem inhomogenen Krankheitsbild liegt. Der BGH hielt dennoch einen Nachweis trotz naturwissenschaftlichen Dissens für möglich, indem er prozessual vorging und trotz Wissenslücken seiner tatrichterlichen Aufklärungspflicht, § 261 StPO umfassend entsprach. Durch diese Entscheidung erfolgte mithin eine weitere Modifikation des Kausalitätsbegriffs. Wissenschaftliche Unwissenheit stellt mithin kein Hindernis mehr für eine Verurteilung dar.
Der BGH hatte im Revisionsverfahren an das LG Frankfurt zurückverwiesen, wo letztlich das Verfahren nach § 153 a StPO eingestellt worden ist.
Gremienentscheidungen
Besonders geprägt haben diese beiden Fälle die Verantwortung von Gremien bei Entscheidungen. Wird ein Entschluss nicht von einer einzelnen Person, sondern von einer mehrköpfigen Geschäftsführung getroffen, stellt sich in Bezug auf die Kausalität die Frage, wie das jeweilige Abstimmungsverhalten zu bewerten ist. Der BGH hat im „Lederspray“ Fall festgestellt, dass bei Gremienentscheidungen nicht das isolierte Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder ausschlaggebend sei. Vielmehr muss sich jedes Mitglied das Abstimmungsverhalten seines Kollegen als Mittäter gemäß § 25 II StGB zurechnen lassen. Es kommt folglich nicht auf das Einzelvotum an, sondern auf das Gesamtvotum der Geschäftsführung. Eine andere Ansicht löst das Problem von Gremienentscheidungen über die kumulative Kausalität. Darüber hinaus kann nach dem BGH eine Enthaltung ebenfalls kausal für eine Entscheidung sein und so ein strafbares Verhalten darstellen.
Des Weiteren umfasst die zivilrechtliche Möglichkeit der Berufung auf die Ressortverantwortlichkeit, nicht den strafrechtlichen Bereich. Im Strafrecht gilt eine Gesamtverantwortlichkeit des Vorstands. Die Haftung ist daher ein ressortübergreifendes Problem.